Neulich traf ich eine gute Bekannte, die gerade einen neuen Job begonnen hatte. In dem anderen Arbeitsbereich war sie über 10 Jahre tätig und wollte nun aus verschiedenen Gründen den Arbeitgeber wechseln.
Nach 1 Woche in der neuen Stelle war sie total erschöpft. "Es ist alles so schwer, ich kann das alles gar nicht. Vielleicht bin ich einfach zu doof für diesen Job". Die absoluten Selbstzweifel überkamen sie, mit Müdigkeit, Traurigkeit und der Frage "Was habe ich da nur getan". Nach 10 Jahren bequemen Arbeiten, mit immer demselben Tun und Allem was bekannt war, muss ich Idiot meine Komfortzone verlassen".
Gut erkannt. Das war die Komfortzone. Jeder Griff sitzt, Jeder Weg war bekannt, die Hände wussten genau was sie zu tun hatten, das Programm spulte sich von selbst im Kopf ab.
Dann bin ich mit ihr spazieren gegangen. Mit Absicht über einen etwas verfrorenen Weg, der dann auch noch im tiefen Neuschnee mündete. Da es grad erst frisch geschneit hatte, stapften wir quasi lustig lachend wie die Kinder neue Spuren in den frischen Schnee. Meine Bekannte ging voran und ich machte Witze wie " Schau mal, ich latsche in deine Fußstapfen" oder auch "Mensch, deine Stapfen sind mir viel zu klein, ich kann viel größer", nur allein, weil ich eine viel größere Schuhgröße als sie hatte.
So spielten wir ein wenig rum, kicherten dabei, kamen in die Leichtigkeit und probierten auch mal aus "Muster" zu laufen. Im Zickzack, rückwärts, seitwärts oder völlig parallel, oder wir versuchten einen Stern zu stapfen, was uns nicht ganz so gut gelang. Das Musterlaufen im frischen Schnee ohne weitere Spuren fand sie total cool, weil es so schön aussah. Ich fragte sie, wenn sie das übersetzen würde auf den Job, welches schöne Muster hatte denn der alte Job. Darauf konnte sie gar keine Antwort geben. Sie hatte schon lange das Schöne gar nicht mehr gesehen. Es war halt einfach alles so wie immer. Im Trott.
Nachdenklich sagte sie: "Aber ein neues Muster machen, das macht total Spaß, das kann ich ja jederzeit variieren, wenn es mir nicht gefällt. Ich kann ja ausprobieren was Schön ist. Und zwar solange bis ich eins finde, was ich richtig gut finde und was mir leichtfällt.". Und stapfte fröhlich weiter, lief Kreise, kreuzte oder ging mal rückwärts.
Jetzt heizte ich sie noch an.
Was ist, wenn wir einen Bogen gehen und ich diesen auf der anderen Seite kreuze? Ich stellte mir vor, dass wir dann so eine hübsche sich immer wieder überkreuzende Kette abbilden würden.
Und prompt korrigierte sie mich bei meinem Laufmuster, da ich nicht ordentlich und ästhetisch ihren Weg kreuzte, sondern alles drunter und drüber und schief und krumm war.
"Hmm…irgendwelche Parallelen zu deinem jetzigen Job"? fragte ich grinsend.
"Oh man ja", fiel es ihr auf. "Ich habe da bisher immer die Muster der Kollegen nachgelaufen. Mein Gott ist das schwer. Ich kann das gar nicht so machen wie die das machen. Ich kopiere die Schritte. Aber sie haben eine andere Schuhgröße und wir kreuzen uns auch gar nicht, weil ich keine eigene Richtung kreiere, sondern nur nachlaufe. Oh man! "
Bingo.
Genau das ist erst einmal völlig normal, wenn man in einem Thema total neu ist. So machen es schon Kinder, die Eltern nachmachen, um dann erst Abwandlungen zu finden. Nachlaufen, kopieren, nachahmen wie es die anderen machen. Eben weil der Weg noch so neu ist, die Handgriffe nicht sitzen und nicht von alleine wissen wohin sie müssen, wie man sich am besten organisiert usw.
Genau da stand sie. Und plötzlich wusste Sie was sie zu tun hatte. Morgen, am nächsten Arbeitstag.
Als es langsam dunkel wurde und wir überlegten keinen Rundweg aus dem Spaziergang zu machen, sondern einfach den gleichen Weg wieder zurückzugehen, wurde noch etwas klar.
Erst quatschen wir weiter und auf einmal sagte sie "Schau mal, kleiner Tipp für dich. Ist total einfach, wenn du in die gleichen Fußstapfen wir vorhin trittst, dann ist es nicht mehr so anstrengend". Denn der Schnee hatte sich in der Zwischenzeit vermehrt. Nun lief sie quasi eine bereits vorgefertigte Spur aus, die sie vorher selbst gegangen ist. Und auf einmal war der Weg irgendwie einfacher.
Wir nahmen automatisch unsere eigene eigene Spur auf, die wir ja vorher auf dem Hinweg schon eingetreten hatten. Es war ihre Schrittlänge, ihre Schrittgröße und sie ging somit quasi genau den gleichen Weg zurück. Ich ebenso.
"Na, hast du jetzt dein Tempo gefunden" fragte ich, denn sie stapfte wirklich zügig voran und war vor mir. "Naja, ist ja nicht so schwer jetzt, ist ja schon eine Spur da", rief sie mir über die Schulter zu.
Genau darum geht es. Alles was neu für uns ist, ist anstrengend. Wie die Fußspur im neuen tiefen Schnee. Wir müssen uns mühsam einen Weg bahnen, uns organisieren, konzentrieren, die Kraft aufbringen. Das alles leistet unser Gehirn mit seinen Synapsen, den Nervenbahnen. Darüber gibt es konkrete veröffentlichte Studien von Hirnforschern, wie unser Gehirn lernt.
Beim Lernen aktivieren Sinnesreize Synapsen im Gehirn. Über diese Verbindungsstellen werden Informationen von Nervenzelle zu Nervenzelle geleitet. Durch das Wiederholen beim Lernen passiert Folgendes im Gehirn:
Die Synapsen werden regelmäßig neu aktiviert. Dadurch werden die Kontakte zwischen den Nervenzellen verstärkt. Dabei entscheidet die Zahl der aktiven Synapsen und Nervenzellen über den Lernerfolg. Etwas nicht nur einmal auswendig zu lernen, sondern ab und an zu wiederholen, fördert also das langfristige Speichern im Gedächtnis.
Ebenso wie die Schneespuren, die immer einfacher zu begehen sind, wenn wir die gleichen Spuren nutzen, die wir schon gegangen sind. Je nach Schneefall wären die Spuren vielleicht am nächsten Tag immer noch da gewesen, wir hätten sie wieder genutzt und das wieder hochgehen auf den kleinen Hügel wäre noch einfacher gegangen.
Dies ist ein stark vereinfachtes Beispiel. Hatte aber eine sehr nachdenkliche Bekannte hinterlassen, die ihren neuen Job jetzt nochmal überdachte. Eingetretene Pfade sind nützlich. Aber neue Wege eröffnen neue Möglichkeiten.
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